Louisa Ella
Unsere Fotografin Bettina Podewski berichtet von ihrem ersten Einsatz:
"An einem Donnerstag erhielten wir über den Chat von unseren Koordinator:innen die Mitteilung, dass ein kleines Mädchen in den nächsten Tagen geboren werden sollte. Es war das dritte Kind der Eltern und in der Schwangerschaft war eine schwere Erkrankung diagnostiziert worden.
Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, wie lange das Mädchen nach der Geburt leben dürfte.
Die Vorstellung, was die Eltern die gesamte Schwangerschaft über an Gedanken ausgehalten haben mussten, erfüllte mich mit größter Ehrfurcht - und dies war wahrscheinlich der ausschlaggebende Grund, warum ich für genau diese Eltern ihre letzten Erinnerungen festhalten wollte: Wenn Eltern so lange gekämpft hatten, sollten sie in ihrer größten Trauer wenigstens einen Lichtblick bekommen.
Leider ging dann an einem Samstag um 9:10 Uhr der Alarm ein. Es wäre das erste Sternenkind, welches ich fotografisch begleiten würde. Dementsprechend war ich hin und hergerissen. In unserem Forum erhielt ich sofort Unterstützung für die Organisation der nächsten Schritte. Auch die notwendige mentale Unterstützung wurde mir sofort angeboten. Das tat so gut!
Gleichzeitig wurde mir natürlich bewusst, dass ich nun nicht mehr "Nein" sagen konnte: Ich würde dieser Familie fotografisch beistehen!
Ich suchte zügig telefonischen Kontakt zum Papa und stellt mich kurz vor.
Das Mädchen war leider direkt nach der Geburt verstorben. Für mich war zu diesem Zeitpunkt völlig klar, dass ich dieser Familie unbedingt beistehen wollte. Ich war wahnsinnig nervös und ein Gedanke machte sich erdrückend in meinem Kopf breit: „Oh je, da muss ich jetzt durch.“
Ich begann meine Kameraausrüstung zu packen und legte einen Zwischenstopp bei einer Corona-Teststation ein. Es war kurz vor 11 Uhr und meine Reise vom Alten Land nach Hamburg ging los. Wie immer an einem Samstag - und auch noch zum Ferienende - waren die Straßen überfüllt und ich steckte im Stau. Immer wieder blieb ich an dem Gedanken hängen: „Was, wenn ich nachher meine Tränen nicht unter Kontrolle habe?“.
Ich erreichte das Krankenhausgelände um 11.47 Uhr, parkte und gab dem Papa Bescheid, dass ich in wenigen Minuten auf Station sein würde.
Krankenhäuser sind für mich als Gesundheits- und Krankenpflegerin alles andere als fremd, sondern fühlen sich, ganz im Gegenteil, immer nach „Zuhause“ an. Ich hatte das Gefühl, das Krankenhaus nicht so sehr als Fotografin, sondern vielmehr als Pflegerin zu betreten. Das hat mich in dem Gefühl darin gestärkt, den Eltern angemessen beistehen zu können, als ich das Zimmer betrat...

Ich sah die Mama am Bettrand sitzen, eine Hebamme tröstete sie.
Der Papa stand etwas unsicher im Raum und das kleine Mädchen durfte mitten in dem großen Bett liegen. Sie war wunderschön angezogen und hielt einen kleinen Igel in der Hand.
Ihre rosa Decke war mit ihrem Namen bestickt: „Louisa“.
Dem Papa gab ich zuerst unsere Verträge in die Hand.
Er schien froh, irgendetwas tun zu dürfen.
Die Hebamme verabschiedete sich mit einem „Danke“ von mir und ich begrüßte die Mama. Anschließend begrüßte ich die kleine Louisa. Ein ganz süßer kleiner Schatz.
Ich wusste, dass ich auch in dieser Situation rein dokumentarisch arbeiten würde. Das sage ich den Eltern auch: „Seid einfach so, wie ihr seid“.
Ich wollte sie nicht aus ihrer Trauer reißen und noch weniger wollte ich in den letzten Stunden mit ihrem Mädchen störend sein. Ich beabsichtigte, ihren Abschied und ihre Trauer so authentisch wie möglich einzufangen.
Ich war circa eine halbe Stunde bei der Familie.
Die Trauer war überall und ich kämpfte mit den Tränen.
Ich war da, ich schaute zu und ich fing die Liebe, die die ganze Zeit und überall spürbar war, fotografisch ein.
Ich war so dankbar, dass ich mich dazu entschlossen hatte, dieser Familie wertvolle Erinnerungen zu schenken.
Und ich war auch unendlich erleichtert, dass ich trotz feuchter Augen schöne Fotos festhalten konnte. Nach dieser Erfahrung wusste ich, wie unwahrscheinlich wertvoll unsere Arbeit als Sternenkindfotograf:innen ist.
Ich konnte einen unschätzbaren Beitrag leisten, damit dieses kleine Menschlein unvergessen bleibt.
Wie schön, dass wir uns kennen lernen durften, kleine Louisa. Was für ein schönes und tapferes Mädchen!
Mich bewegen diese beiden Bilder sehr. Man denkt oftmals:
"Warum muss gerade ich sowas erleben?" - und es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine ist. Ich spürte den Schmerz, aber auch die Liebe für das Kind, sie erfüllte den ganzen Raum - und ich spüre es beim Anblick dieser Bilder noch immer."